Tausche einsame Insel gegen Großstadt

04.05.2023
Unseren letzten Stopp in den Exumas legen wir vor Norman Cay ein. Hier gibt es ein Flugzeugwrack zu erschnorcheln. Ein vermeintlicher Drogenschmuggler aus Escobars Zeiten.
Fakt ist, dass die Exumas in den späten 70ern Drogenumschlagplatz von Süd- nach Nordamerika waren. Fakt ist auch, dass Carlos Lehder vom Medellin-Kartell auf Norman Cay operiert hat. Nun hat scheinbar ein gewisser "Andy" seinen großen Durchbruch gewittert, als er die Transportmaschine aus dem 2. Weltkrieg in Florida rumstehen sah. Und so lieh er sich das gute Stück von dessen Besitzer, um sie nach Norman Cay zu fliegen und dort Lehder als Kokstransporter zu verklingeln. Der hatte aber leider kein Interesse. Erstmal nicht so gut gelaufen für Andy. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, hat Andy eines Tages beschlossen, mit dem Flieger ein paar Platzrunden zu drehen. Andy hat aber auch gern und tief ins Glas geschaut, so auch an diesem Morgen. Schon beim ersten Versuch hat Schnapsi sich dann knapp verschätzt, was die Distanz zur Landebahn anging. Glück im Unglück, es gab keine Toten. Die geliehene Maschine blieb auf den Bahamas, knapp unter der Wasseroberfläche und kann noch heute angeschaut werden. Lehders Reaktion fiel sparsam aus und er ließ den Bruchpiloten wieder in die Staaten schaffen. So berichtet es zumindest einer von Lehders Piloten in seinen Memoiren.

Auf jeden Fall ist es sehr beeindruckend, das Flugzeugwrack abzuschnorcheln. Die Strömung hier ist recht stark, weshalb wir zum Niedrigwasser kommen. Einige Teile des Wracks schauen sogar aus dem Wasser heraus. Wir ankern direkt daneben mit unserem Dinghy und erkunden abwechselnd die Szenerie.

Da der Proviant knapp ist und ich ja auch irgendwann Geburtstag hatte, lädt Alex zum Essen ins einzige Gasthaus weit und breit ein. Es ist unglaublich lecker, Mini ist sehr gut drauf und so verbringen wir einen rundum gelungenen Abend. Zumindest bis wir uns wieder Richtung Boot aufmachen und am Horizont die kaum zu ignorierenden Blitze bestaunen. Diesmal wird's uns erwischen. Wir sehen zu, dass wir schnell zurückkommen, um noch ein paar Vorbereitungen zu treffen. Es ist schon sehr einschüchternd, wenn man auf seinem Boot auf dem Wasser liegt, unterhalb eines Masts, der weit und breit den höchsten Punkt bildet und dann ein Gewitter über einen rüberzieht. Unsere mobilen elektronischen Geräte haben wir im Ofen verstaut, damit sie im Falle eines direkten Einschlags (oder in der Nachbarschaft) keinen Schaden nehmen. Also nichts zum ablenken, nichts zum checken, wie lange es wohl noch dauern könnte. Gruselig. Auch Mini ist das Gewitter nicht geheuer und ich gebe mein Bestes, sie in der hell erleuchteten Koje mit Büchern und Gesang abzulenken. Es klappt und sie schläft tatsächlich irgendwann ein. Ich nicht. Und Alex hält eh Wache.
Nach 4 unglaublich-wundervoll-paradiesischen Wochen entlang der Exuma Islands sind unsere Vorratskammern leer und wir müssen ins lang verschmähte Nassau. Die Hauptstadt der Bahamas liegt auf der Insel New Providence und ist wohl bei manchen beliebt für ihren riesigen Hotel-/Wasserparkkomplex "Atlantis". Wir ankern im Kanal zwischen Atlantis und Stadt. Die Gezeitenströmungen merkt man hier sehr gut, alle 6 Stunden drehen wir uns. Der Anker hält. Gut, dass es keinen starken Wind gibt, der gegen den Strom steht, so ist es eigentlich ganz angenehm hier. Zumindest bis man an Land geht. Großstadt nach Wochen der Ruhe ist schon etwas gewöhnungsbedüftig. Wir proviantieren für die nächsten Wochen und lassen - mal wieder - ein Vermögen für bestenfalls mittelmäßige Produkte liegen, ein Trauerspiel. Viele Sachen in den Regalen sind schon längst abgelaufen. Die Beschäftigten erzählen, dass sie die Sachen schon so geliefert bekommen. Glaubhaft, wenn man bedenkt, wieviel allein wir hier schon aus den Regalen räumen. Vielleicht auch nicht wirklich verwunderlich, wenn man bedenkt, welches Land Hauptlieferant ist. Da kann auf der 100 Kilometer langen Überfahrt schon mal einiges ein paar Monate oder gar Jahre rückwirkend verfallen. Vielleicht geraten die Containerschiffe auch regelmäßig in eine Zeitschleife…? Bleibt zu hoffen, dass die, die den Scheiß verzapfen, hier auf ihrer privaten Megayacht Urlaub machen und ebenfalls davon verköstigt werden. (Ups, hab mich wohl schon wieder in Rage geschrieben.)

Wir hängen etwas länger fest, als uns lieb ist. Wir wollen weiter auf die Berry Islands, etwa 50 Seemeilen entfernt. Wind gibt es aber leider keinen, der uns rüber tragen kann. Also warten wir. Nach 6 Tagen Hauptstadtgewusel freuen wir uns, dass es endlich weiter geht.